12.12.2025, 18 UHR im ROMANIPHEN ARCHV, KARL-KUNGER – STR. 17, 12435 BERLIN
EIN VORTRAG VON DR. DEZSO MATE
Der Begriff Gypsy bezeichnet eine Form der sozialen, wirtschaftlichen, politischen und historischen Differenzierung, die Rom*nja unabhängig von Zeit und Ort erfahren haben. Gypsy war in den Sozialwissenschaften und im Menschenrechtsaktivismus zu einer normalisierten Konnotation geworden. Die Verwendung des Begriffs ist Gegenstand einer anhaltenden Debatte, die oft unter dem Deckmantel der Wissenschaft oder der behaupteten „weißen“ Position ethische Standards untergraben hat. Ich behaupte, dass diese Debatte über Methodologien und Kontexte in der Forschung hinausgeht und ihre Wurzeln in strukturellem Rassismus hat, den Wissenschaft, Politik und Aktivismus über Jahrhunderte hinweg übernommen und ohne Reflexion auf ihre Position angewendet haben.
Der Vortrag soll ein Verständnis dafür vermitteln, wie Gypsy rassifiziert wurde und über die Jahrhunderte hinweg von akademischen und gesellschaftlichen Diskussionen beeinflusst wurde, von den ersten offiziellen Registern und wissenschaftlichen Arbeiten bis hin zu den heutigen Volkszählungen und Wissensproduktionen. Die Argumentation zeigt auf, wie Diskussionen über die Darstellung von Gypsy von externen Perspektiven geprägt wurden, die die frühen Stimmen der Rom*nja in der Geschichte und im öffentlichen Gedächtnis bestimmten und einschränkten. Um diese Lücke verlorener Stimmen und Darstellungen zu füllen, begannen Romani- und pro-Romani-Wissenschaftler*innen Anfang der 2000er Jahre – mit einer recht späten Etablierung (aber hier sind wir nun) – bestehende Machtstrukturen, soziale Wahrnehmungen und Stereotypen mit der Schule des Antigypsyism, des Anti-Romani-Rassismus und der kritischen Romani-Studien in Frage zu stellen und aufzubrechen.
Dezso Mate promovierte in interdisziplinärer Soziologie an der Eötvös-Loránd-Universität. Derzeit ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Interdisziplinären Zentrum für Europastudien der Europa-Universität Flensburg und Gastwissenschaftler am Forschungszentrum für Antiziganismus der Universität Heidelberg. Dr. Mate ist außerdem stellvertretender Vorsitzender der Barvalipe-Akademie am European Roma Institute for Arts and Culture (ERIAC). Er ist Gastdozent am Institut für Kritische Romani-Studien der Södertörn-Universität in Stockholm und Absolvent des Kulturwissenschaftlichen Instituts (KWI) in Essen. Dr. Mates Forschungsinteressen umfassen verschiedene Aspekte des intersektionalen und akademischen Antigypsyism, strukturellen Rassismus, soziale Bewegungen und Resilienz. Seine Dissertation befasste sich mit akademischem Antigypsyism und einer sozialpsychologischen Analyse von Resilienz.
