Trauer um Wilhelm Solms

Prof. Dr. Wilhelm Solms, ein Pionier der Antiziganismusforschung, Mitgründer und langjähriger Vorsitzender der Gesellschaft für Antiziganismusforschung e.V., ist am 26. November 2024 im 88. Lebensjahr in München gestorben.
Seit 1977 war Wilhelm Solms Professor im Fachbereich Germanistik an der Philipps-Universität Marburg. Bis 2001 lehrte er hier. Zuständig ursprünglich für Didaktik und Kommunikationswissenschaften, erweiterte er seine Arbeitsfelder und publizierte über Johann Wolfgang Goethe, dann über Märchen. Methodisch und inhaltlich offen und über die universitäre Öffentlichkeit hinausgehend leitete er viele Tagungen zur Literaturgeschichte und zur aktuellen Literatur und war gleichzeitig in verschiedenen literarischen Gesellschaften engagiert.
Neu war in den 1990er-Jahren die Zusammenarbeit mit Sinti und Roma. Hier ging es zunächst um die Bilder, die Sinti und Roma – in der Literatur und in der Öffentlichkeit – zugeschrieben wurden und werden. Mit Daniel Strauß, der 1998 der erste Vorsitzende der Gesellschaft für Antiziganismusforschung wurde, gab er 1994 „‚Zigeunerbilder‘ in der deutschsprachigen Literatur“ heraus. Von diesen Anfängen ausgehend und in dem Wissen um die Jahrhunderte dauernde und anhaltende Diskriminierung und Verfolgung von Sinti und Roma setzte sich Wilhelm Solms mit den wenigen Forscherinnen und Forschern zusammen, die sich interdisziplinär der Untersuchung des Antiziganismus widmeten.
Gleichzeitig war er auch an Lösungen zur Überwindung von antiziganistischen Praktiken – und besonders um die Aufklärung darüber – im Einvernehmen mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Gruppen der Sinti und Roma interessiert und hierzu publizistisch, auf Tagungen und mit vielen Vorträgen auch außerhalb des universitären Kontextes tätig. 1998 wurde so in Marburg die Gesellschaft für Antiziganismusforschung gegründet, mit Wilhelm Solms zunächst als stellvertretendem Vorsitzenden. Von 2000 bis 2017 war er als Vorsitzender, danach bis 2023 erneut als stellvertretender Vorsitzender in der GfA tätig.
Als Antiziganismusforscher wurde er auch Kuratoriumsmitglied des Dokumentations- und Kulturzentrums deutscher Sinti und Roma in Heidelberg.
Es folgten Tagungen und Einzelveranstaltungen, Vorträge und Publikationen. 2008 wurde der Band Zigeunerbilder. Ein dunkles Kapitel der deutschen Literaturgeschichte. Von der frühen Neuzeit bis zur Romantik, veröffentlicht. Weitere Aufsatz- und Tagungsbände erschienen, in denen auch Vorträge publiziert sind, die über die Literaturwissenschaften hinausgehen: Beiträge zur aktuellen Politik der Bundesrepublik und der Europäischen Union zu Sinti und Roma, zur Stellung der Kirchen zur Minderheit. Projekte der Landeszentrale für politische Bildung und Projekte der Verbände der Sinti und Roma wurden unterstützt.
Zu seiner großen Enttäuschung ist es ihm nicht gelungen, das Forschungsfeld Antiziganismus an „seiner“ Marburger Universität zu etablieren. Aber seine unermüdliche Tätigkeit bei der Erforschung und Kritik des Antiziganismus hat in hohem Maße seit den späten 1990er Jahren dazu beigetragen – gerade auch in der Kooperation mit Organisationen der Sinti und Roma –, das Bewusstsein für die Relevanz der Antiziganismusforschung auch im universitären Bereich zu erweitern.
Die Universitätsstadt Marburg hat Wilhelm Solms 2019 mit einem Vortrag im Historischen Rathaus mit dem Titel Vom poetischen bis zum politischen Antiziganismus verlassen, um von München aus auch im hohen Alter über Antiziganismus und die Folgen für die Betroffenen aufzuklären.
Die Bundesrepublik dankte Wilhelm Solms im April 2016 mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande.
Diejenigen, die ihn kannten, und diejenigen, die mit ihm viele Jahre zusammengearbeitet haben, danken ihm auf ihre Weise, indem sie seine Arbeiten fortsetzen, engagiert und immer mit Respekt. Wir trauern um den Wissenschaftler Wilhelm Solms, aber auch um einen engagierten, liebenswerten Menschen.

Udo Engbring-Romang
im Namen der Gesellschaft für Antiziganismusforschung